10. Mai 1932


Politischer Journalismus

Ich gehöre keiner Partei an - wohin also ? Keine der Internationalen nimmt mich auf, stellt mich an einen neuen Platz. […] Der politische Journalismus ist keine Lebensversicherung: das Risiko erst gibt seinen besten Antrieb.

[…] Die „Weltbühne“ wird auch weiterhin das sagen, was sie für nötig befindet; sie wird so unabhängig bleiben wie bisher, sie wird so höflich oder frech sein, wie der jeweilige Gegenstand es erfordert. Sie wird auch in diesem unter dem Elefantentritt des Fascismus zitternden Lande den Mut zur eignen Meinung behalten. Wer in den moralisch trübsten Stunden seines Volkes zu opponieren wagt, wird immer bezichtigt werden, das Nationalgefühl verletzt zu haben. Die „Weltbühne“ hat immer eine ganz bestimmte und deutlich gezeichnete Haltung eingenommen, und daraus ergibt sich für sie eine besonders verpflichtende Bindung an jene, die auf sie hören und die an sie glauben. Ihre Stimme kann nur Klang behalten, wenn ihr verantwortlicher Herausgeber seine ganze Person einsetzt und dann, wenn es ungemütlich wird, nicht die bequemere Lösung wählt, sondern die notwendige.

[…] Politische Justiz hat überall den Zweck, mißliebige Köpfe entweder rollen zu lassen oder bestimmte Zeit auszuschalten. Das schließt nicht ein Zeichen der Achtung für den Mann auf der Anklagebank aus.

[…] Unsre Sünde ist, dass wir einen deutschen Lieblingsgedanken nicht teilen: wir glauben nicht an den Primat des Militärischen in der Politik. Das warf den breiten Graben auf zwischen uns und unsern Richtern.


aus: „Rechenschaft“, in: Weltbühne, 10. Mai 1932

 

 

Ernst Torgler, Carl von Ossietzky und Ludwig Renn werden der ausländischen Presse vorgeführt, März 1933