10. Mai 1932


Politische Publizistik

Über eines möchte ich keinen Irrtum aufkommen lassen, und das betone ich für alle Freunde und Gegner und besonders für jene, die in den nächsten achtzehn Monaten mein juristisches und physisches Wohlbefinden zu betreuen haben : - ich gehe nicht aus Gründen der Loyalität ins Gefängnis, sondern weil ich als Eingesperrter am unbequemsten bin. Ich beuge mich nicht der in roten Sammet gehüllten Majestät des Reichsgerichts, sondern bleibe als Insasse einer preußischen Strafanstalt eine lebendige Demonstration gegen ein höchstinstanzliches Urteil, das in der Sache politisch tendenziös erscheint und als juristische Arbeit reichlich windschief.

Diesen Protest lebendig zu erhalten, das bin ich all denen schuldig, die für mich eingetreten sind, obgleich die Umstände es verweigerten, ihnen genaue Kenntnis von der Materie zu geben.

[…] Natürlich bestreite ich das Recht des Publizisten nicht, sich dem Zugriff der herrschenden Gewalten durch die Flucht zu entziehen. Ein Recht, das übrigens jeder unschuldig Verurteilte hat, dem der normale Weg zur Rehabilitation versperrt ist oder der den Glauben an die richterliche Objektivität verloren hat. Es handelt sich aber in jedem Einzelfalle darum, das Wirksamere zu tun. Das allein muß entscheidend bleiben. […]

Der Oppositionelle, der über die Grenze gegangen ist, spricht bald hohl ins Land herein. Der ausschließlich politische Publizist namentlich kann auf die Dauer nicht den Zusammenhang mit dem Ganzen entbehren, gegen das er kämpft, für das er kämpft, ohne in Exaltationen und Schiefheiten zu verfallen. Wenn man den verseuchten Geist eines Landes wirkungsvoll bekämpfen will, muß man dessen allgemeines Schicksal teilen.


aus: „Rechenschaft“, in: Weltbühne, 10. Mai 1932

 

 

Vor dem Landgericht III in Berlin während des Prozesses „Soldaten sind Mörder“ mit den Rechts- anwälten Rudolf Olden (links) und Alfred Apfel, 1. Juli 1932