Tagores letzte Botschaft (1941)

Die Unfähigkeit der Menschen im Westen, die Werte ihrer Zivilisation und die Würde des Menschen zu bewahren, für deren Aufbau sie Jahrhunderte lang gebraucht haben, lastet wie ein Alptraum auf meiner Seele. Es scheint mir klar, dass diese Unfähigkeit ihren Grund darin hat, dass die Menschen, wenn es um die Führung der Staatsgeschäfte geht, moralische Werte am liebsten unbeachtet lassen und glauben, dass alles entschieden wird durch eine Abfolge reiner Gewalttaten, die durch menschliche Geschicklichkeit oder Stärke zu beherrschen sind. Die Konsequenzen dieses Glaubens werden ständig schrecklicher für den Menschen.

Die erste Probe aufs Exempel im Zusammenhang mit diesem teuflischen Glauben wurde in der Mandschurei gestartet. Als Ergebnis zeigte sich, dass, obwohl das arme und unschuldige Volk von China sehr leiden musste, diejenigen, die für dieses und gleiches Leiden woanders verantwortlich waren, alle selbst in diesen Strudel der Gewalt gezogen wurden. Diejenigen, deren Macht auf moralischem Zynismus beruht, erweisen sich nun selbst als dessen Opfer. Und die göttliche Rache wird von Tag zu Tag erbarmungsloser.

Wir sind es gewohnt, die Horden des Dschingis Khan Barbaren zu nennen, aber nicht einmal die schrecklichen Mongolen haben sich eines solch ungeheuerlichen Verrates an der Menschlichkeit schuldig gemacht, wie ihn die so genannten zivilisierten Nationen von heute gerade vor unser aller Augen aufführen. Aber in demselben Augenblick, wo man dieses Verhalten verdammt, stellt man mit Bestürzung fest, dass man selbst auch Genugtuung empfindet für das Leiden der Übeltäter. Denn ihre eigenen Völker bezahlen jetzt den Preis für diese Schandtaten.

Inmitten dieser wahnsinnigen Orgie von Gewalt und Zerstörung werde ich unbeirrt festhalten an meinem Glauben an die letztlich doch erfolgreiche Wiederherstellung des Menschheitserbes moralischer Werte.