14. Februar 1933


Presseball

Schon manche der republikanischen Regierungen hatte ihre eigenen Methoden, mit der verfassungsmäßig gewährleisteten Meinungsfreiheit umzuspringen. Diejenigen Zeitungen, die sich Charakter und Selbständigkeit bisher bewahrt haben, werden auch in Zukunft nicht durch den Reifen springen. Der Fall liegt sehr einfach: bei dem uralten Duell zwischen physischer Gewalt und freiem Gedanken ist die Gewalt im letzten Gange immer unterlegen. Wo eine diktatorische Herrschaft verwehren will, daß Ideen ausgesprochen, geformt, niedergeschrieben, verbreitet werden, da gibt es bald Verwesung, Friedhofsgeruch. Deutschland ist ein Land der differenziertesten öffentlichen Funktionen, man kann es nicht leicht in die Primitivität einer geduldigen Kulistummheit zurückschrauben. Wo regierende Gewalten die Meinungsfreiheit der Mitlebenden mit einem Federstrich kassieren, da liefern sie sich nur den anonymen und gestaltlosen Mächten der Geschichte aus, die viel bösartiger und schonungsloser sind als der galligste Pamphletist. Immerhin geht die deutsche Presse in eine bewegte Epoche hinein. Der wirkliche Presseball beginnt erst jetzt.

[…] Wenn die Menschen nicht mehr fragen dürfen, dann werden die Dinge fragen.


aus: „Deutschland wartet !“, in: Weltbühne, 14. Februar 1933

 

Abschied von Ernst Toller vor dem
Gefängnis in Berlin-Tegel, 10. Mai 1932