Dänische Felder

Da liegen sie: sonnenüberglänzter Wind geht drüber hin, die Grasbüschel werden hin- und hergerissen, pflaumenblau ziehen sich da hinten Wälder. Die Chaussee läuft ein Stückchen bergan, dann ist sie grade von der Kuppe abgeschnitten und führt also scheinbar in den Himmel. Zwei solcher Treppen gibt es in Versailles . . .

So hat doch diese dänische Landschaft auch im Jahre 1917 hier gestanden? Natürlich - warum denn nicht? Die da führte keinen Krieg.

Die Bäume durften Bäume sein - niemand schoß sie zusammen. Über diese Grasflächen stampfte keine lange Schlange von Marschierenden. Die Wege wurden nicht von ratternder, schimpfender, polternder Artillerie aufgeweicht und verdorben. Diese Landschaft war reklamiert.

Herrgott in Dänemark, welch ein Wahnsinn! Hier war Mord: Mord, dort war Mord ein von den Schmöcken, den Generälen und den Feldpredigern besungenes Pflichtereignis, Hier durfte man nicht - dort mußte man.

Und so selbstverständlich, wie die Mücken tanzen, so selbstverständlich ist den Mördern und ihren Kindern Untat, Fortsetzung der Untat und Propagierung der Untat. Es geschieht so viel für die Erotik. Es gibt Anreiz, Mode und Tanz, bunte Farben und Pornographie. Es geschieht so wenig gegen den nächsten Krieg, bei dem euch die Gedärme, so zu hoffen steht, auch in den Städten über die Stuhllehne hängen werden. Es müßte jeden Abend in den Films laufen, wie es gewesen ist, das mit dem Sterben.

Möge das Gas in die Spielstuben eurer Kinder schleichen. Mögen sie langsam umsinken, die Püppchen. Ich wünsche der Frau des Kirchenrats und des Chefredakteurs und der Mutter des Bildhauers und der Schwester des Bankiers, daß sie einen bittern qualvollen Tod finden, alle zusammen. Weil sie es so wollen, ohne es zu wollen. Weil sie faul sind. Weil sie nicht hören und nicht sehen und nicht fühlen.

Wer aber sein Vaterland im Stich läßt in dieser Stunde, der sei gesegnet. Er habe seine schönsten Stunden in einer dänischen Landschaft.


Ignaz Wrobel
Die WeltbÜhne, 26. Juli 1927

 

„Das ‚Ebenbild Gottes‘ mit Gasmaske.“

Aus: Ernst Friedrich: Krieg dem Kriege (1924). Verlag Freie Jugend: Berlin, 1926. Seite 125.