Kurt Tucholsky (KT) - Biographische Daten

- Ausgewählte Zusammenfassung einer überarbeiteten Fassung des chronologischen Überblicks in: Michael Hepp: Kurt Tucholsky. Biographische Annäherungen, Reinbek bei Hamburg, 1993 -

Kindheit, Jugend, Studium

9. Januar 1890: Geburt in Berlin, Lübecker Straße 13 als Sohn von Alex Tucholsky und Doris Tucholski (seit 1887 verheiratet). - 1892: Umzug der Familie Tucholsky ins Berliner Hansaviertel, Holsteiner Ufer 46III - 1893: Umzug der Familie nach Stettin, Kronprinzenstraße. Alex Tucholsky vertritt in der Filiale der Eisenbahnbaufirma Lenz & Co. die Berliner Handelsgesellschaft (BHG). - 1896: Einschulung, Geburt des Bruders Fritz - 1897: Geburt der Schwester Ella-Ida (Ellen), genannt Hippel - 1899: Rückkehr nach Berlin. In der Zentrale der Firma Lenz & Co., Dorotheenstraße 11, bezieht die Familie Tucholsky eine Dienstwohnung im 4. Stock. Im April 1899 wird KT in das renommierte Königliche Französische Gymnasium, an dem Französisch Unterrichtssprache ist, aufgenommen. Aus dieser Zeit sind seine ersten Schreibversuche erhalten. - 1901: Alex Tucholsky wird Vorstandsmitglied der neugegründeten Aktiengesellschaft für Verkehrswesen (AGV) und Direktor (Bereichsleiter) in der BHG. - 1903: wechselt KT als Obertertianer an das Königliche Wilhelms-Gymnasium. - 1905: Alex Tucholsky stirbt (Beisetzung auf dem jüdischen Friedhof Weißensee). - 1906: Umzug der Familie in die Motzstraße 42 - 1907: KT geht vom Gymnasium ab und wird von einem Privatlehrer auf das Abitur vorbereitet. Im , der humoristischen Wochenbeilage von Berliner Tageblatt und Berliner Volkszeitung, erscheinen KT‘s erste (unsignierte) Arbeiten: „Märchen“ und „Vorsätze“. - 1908: Die Familie zieht in die Helmstedter Straße 6. - Prüfung für den Einjährig-Freiwilligendienst vor einer militärischen Prüfungskommission - 1909: Reifeprüfung als Externer am Königlichen Luisen-Gymnasium. Beginn des Jura-Studiums an der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. - 1910: lässt sich KT von der Universität Berlin exmatrikulieren und absolviert das Sommersemester an der Universität Genf. - 1911: KT publiziert seinen ersten Artikel im sozialdemokratischen (Mitarbeit bis Sommer 1914). Dreitägiger Aufenthalt mit Else Weil in der märkischen Kleinstadt Rheinsberg (anschließend Niederschrift der ersten -Fassung im Verlauf von drei Wochen an der Ostsee). Mit seinem Studienfreund, dem Maler und Illustrator Kurt Szafranski, Besuch bei Max Brod in Prag, am 30. September bei Franz Kafka. KT bezieht seine erste eigene Wohnung (Nachodstraße 12, Berlin W 50, bis Mai 1920), engagiert sich im Reichstagswahlkampf für die SPD. - 1912: Verlobung mit seiner Jugendfreundin Kitty Frankfurther. Durch Vermittlung Brods erster Artikel im . KT verlässt die Universität und bereitet sich auf das juristische Staatsexamen vor. Sein Bilderbuch für Verliebte erscheint in Berlin. Zusammen mit Szafranski eröffnet er die „Bücherbar“ auf dem Kurfürstendamm, ein Antiquariat, das sie nach Weihnachten wieder aufgeben. - 1913: KT‘s erster Artikel in Siegfried Jacobsohns (seit 1905). Er bemüht sich um Zulassung zur Promotion an der juristischen Fakultät der Universität Jena, die 1914 zunächst abgelehnt wird und nach einer Überarbeitung anerkannt wird und 1915 die Druckerlaubnis erhält. Er beginnt in pädagogischen Fachzeitschriften über seine praktische Tätigkeit als Nachhilfelehrer zu schreiben und plant die Gründung einer Nachhilfeschule. Er plant ein bibliophiles Zeitschriftenprojekt „Orion“ und veröffentlicht Grotesken unter dem Pseudonym Ignaz Wrobel. In der zweiten Mitgliederliste des 1910 gegründeten «Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller» (SDS) von Ende 1913 wird er als Mitglied genannt. - 1914: Vorlesungen in Geographie und Psychologie an der Universität Berlin. KT erklärt seinen Austritt aus der jüdischen Gemeinde Berlin und beendet sein Zweitstudium eine Woche nach Beginn des Ersten Weltkriegs. - 1915: Promotion zum Dr. jur. mit «cum laude».

 

Soldat im Ersten Weltkrieg

Musterung und Dienstantritt als Armierungssoldat. Nach Vereidigung und Einkleidung in Suwalki Einsatz im Memelgebiet. Stellungskampf zwischen Augustow, Mariampol und Pillwiski. Stationierung bei Birshi im Stellungskampf gegen Jakobsstadt (bis 20.08.1916) - 1916: Erster Fronturlaub in Berlin. KT‘s Einheit wird zum Bau der Fliegerschule Ost nach Groß-Autz/Alt-Autz (Kurland) verlegt. KT wird Kompanieschreiber in Groß-Autz. Er entwickelt das Konzept für eine Soldatenzeitschrift. Das erste Heft der Feldzeitung „Der Flieger“ erscheint. (KT bleibt deren Redakteur und Schriftleiter bis zu seiner Versetzung nach Rumänien im April 1918). - 1917: Schreiber beim Stab der Fliegerschule in Alt-Autz. KT übernimmt die Leitung der Leihbibliothek und der Druckerei. KT assistiert als Schreiber bei der Erschießung von russischen Spionen. Ernennung zum Gefreiten. Offizielle Versetzung zur Stabskompanie der Artillerie-Fliegerschule Ost I in Alt-Autz. Beförderung zum Unteroffizier. KT lernt die Deutschbaltin Mary Gerold aus Riga kennen. Nach der Eroberung Rigas durch die deutsche Armee (3.9.) war sie seit Oktober als sog. Hilfsdienstwillige in der Kassenverwaltung der Fliegerschule Alt-Autz. - 1918: „Verdienstkreuz für Kriegshilfe“ für seinen publizistischen Einsatz für die Kriegsanleihe. Anforderung durch die deutsche Politische Polizei in Bukarest. Beförderung zum Vizefeldwebel. KT verläßt Alt-Autz und fährt in Urlaub nach Berlin. Er löst die Verlobung mit Kitty Frankfurther. Versetzung zur Zentralpolizeistelle Bukarest. Ankunft in der von Feldpolizeikommissar Erich Danehl geleiteten Polizeistelle Turn-Severin. Dienst als Hilfspolizeibeamter. Die „Frankfurter Zeitung“ veranstaltet ein Preisausschreiben zur 9. Kriegsanleihe, eines seiner Gedichte wird dort veröffentlicht. Beförderung zum Offiziers-Aspiranten. Vizefeldwebel Tucholsky wird mit einer oberen Beamtenstelle – Feldpolizeikommissar – beliehen und nach Calafat versetzt. Im Zuge des Befehls zum Abzug der deutschen Besatzungstruppen verläßt KT gemeinsam mit den Kommissaren Erich Danehl und Hans Fritsch (später seine „rumänischen Freunde“ Karlchen und Jakopp) Rumänien. Fahrt über Budapest, Wien, München nach Berlin.

 

«Nie wieder Krieg»-Bewegung

1919: Entlassung aus der Armee. Mit dem Artikel „Offizier und Mann“ beginnt KT (Ignaz Wrobel) die „Militaria“-Serie in der WB. In der „Weltbühne“ erscheint sein programmatischer Artikel „Wir Negativen“. Sein Gedicht „Unser Militär!“ erscheint in der „Weltbühne“. (Ein halbes Jahr später stellen Reichswehrminister Noske und der Chef der Heeresleitung Reinhardt Strafantrag wegen Beleidigung ihrer Truppen gegen KT und gegen Siegfried Jacobsohn als verantwortlichen Redakteur). Gründung des „Friedensbundes der Kriegsteilnehmer“ (FdK) durch Carl von Ossietzky, Karl Vetter, Emil Julius Gumbel, KT u.a. (2.10.1919): Geplant sind jährliche Massendemonstrationen unter dem Motto „Nie wieder Krieg!“. In der Berliner Volkszeitung erscheint ein von KT (Ignaz Wrobel), Karl Vetter, Otto Lehmann-Rußbüldt u.a. unterzeichneter Aufruf des FdK: „Krieg dem Kriege“ (19.10.1919). Theobald Tiger‘s „Fromme Gesänge“ erscheinen mit einer Vorrede von Ignaz Wrobel. KT arbeitet für das von Max Reinhardt initiierte Kabarett „Schall und Rauch“, dessen künstlerischem Beirat er ab 1920 angehört. Kundgebung des FdK (14.12.1919): KT‘s Rede gegen die Militärs führt zu Tumulten. - 1920: Trennung von Mary Gerold. Eintritt in die USPD. KT kritisiert die nationalistische Haltung des „Simplicissimus“ während des Weltkrieges . Die letzte von KT als Chefredakteur verantwortete Ausgabe des „Ulk“ erscheint nach zunehmenden Differenzen mit Theodor Wolff, nachdem KT seinen Posten als Chefredakteur gekündigt hatte. Wegen der Titelblattkarikatur erheben der Chef der Heeresleitung Hans von Seeckt und der Nationalverband deutscher Offiziere Anklage. (Die Klage wird im Juni zurückgezogen). KT heiratet in Berlin die Ärztin Else Weil (Trauzeuge: Siegfried Jacobsohn). Neue Wohnadresse: Kaiser-Allee 79, Berlin-Friedenau. KT wird erster Schriftführer des „Schutzverbands Deutscher Schriftsteller“. KT spricht in Wiesenthal bei der Beerdigung des Pazifisten Hans Paasche, der von Reichswehrsoldaten und Freikorpsleuten in einen Hinterhalt gelockt und „auf der Flucht erschossen“ worden war. KT übernimmt die Chefredaktion des satirischen Propagandablattes „Pieron“, das im oberschlesischen Abstimmungskampf als Gegenstück zum polnischen „Kocynder“ gegründet wird. - Konstitutierung des „Nie-wieder-Krieg“-Aktionsausschusses. KT ist einer der Initiatoren (1.7.1920). Das erste Heft des „Pieron“ erscheint und löst heftige Kritik aus. KT spricht auf der „Nie-wieder-Krieg“-Kundgebung im Berliner Lustgarten vor etwa 80.000 Menschen (1.8.1920). „Träumereien an preußischen Kaminen“ von Peter Panter erscheint in Berlin (mit Widmung an Mary Gerold). Wegen seiner Beteiligung an der Oberschlesien-Propaganda wird KT durch Mehrheitsbeschluss der Mitarbeiter die weitere Mitwirkung an den USPD-Organen „Freie Welt“ und „Die Freiheit“ untersagt. Sein letzter Beitrag für „Die Freiheit“ erscheint am 7.12., für die „Freie Welt“ am 19.12. Wegen des zunehmenden öffentlichen Drucks gibt KT die hochdotierte Stelle als Chefredakteur des „Pieron“ zum 31.12. ab. (Bis zum 18.4.1921 arbeitet er jedoch inoffiziell weiter mit.) - 1921: Das Verfahren gegen KT als ehemaligen Chefredakteur des „Ulk“ wegen einer Beleidigungsklage wird eingestellt. KT gehört zu den Mitunterzeichnern des Gründungsaufrufs für den „Republikanischen Reichsbund“ (RRB). Der auf Antrag von Reichswehrminister Geßler gegen KT angestrengte Prozeß wegen Beleidigung der Reichswehr im Artikel „Offiziere“ in „Die Freiheit“ endet mit einem Freispruch. - 1922: KT ist Mitunterzeichner des Manifests der Französischen Liga für Menschenrechte und des deutschen Bundes Neues Vaterland für die Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich. In der „Weltbühne“ erscheint Ignaz Wrobels Militärkritik „Die Erdolchten“. Wegen der Namensverwechslung von zwei Offizieren stellt die Reichswehrführung Strafantrag. Verurteilung zu einer öffentlichen „Richtigstellung“. Kundgebung der „Deutschen Liga für Menschenrechte“ (DLfM) in Berlin zum Thema „Deutsche Justiz!“ auf der KT, Hellmuth von Gerlach, Gumbel u.a. sprechen. Zwei Tage nach dem Mord an Rathenau spricht KT auf einer Protestkundgebung der Republikaner im Berliner Lustgarten. Ignaz Wrobel spricht bei der „Rathenau-Versammlung“ des „Deutschen Friedenskartells“ unter Vorsitz von Harry Graf Kessler zum Thema „Mordhetze, Nationalsozialismus und Erziehung“. Am selben Tag wird auf den Publizisten Maximilian Harden ein Mordanschlag verübt. «Nie-wieder-Krieg!»-Kundgebung im Berliner Lustgarten (30.7.1922): Sein Gedicht „Drei Minuten Gehör!“ wird an diesem Tag bei Antikriegskundgebungen im ganzen Reich als Prolog vorgetragen. Feiern zum Verfassungstag in Berlin (11.8.1920). KT beteiligte sich an der Vorbereitung zu dieser Massenkundgebung. Die USPD, bei der KT Mitglied ist, löst sich auf. Ein Teil der Mitglieder geht zur KPD, der Rest verschmilzt auf dem Parteitag in Nürnberg mit der SPD. KT wird dadurch Mitglied der SPD. - 1923: Hauptredner (Ignaz Wrobel) auf der Kundgebung des „Republikanischen Reichsbundes“ in den Berliner Kammersälen. Eröffnung des Kabaretts „Die Gondel“. Trennung von Else Tucholsky. Umzug in eine möblierte Zweizimmerwohnung in der Windscheidstraße 34, Berlin-Charlottenburg. Nach verlorenem Prozess Widerruf zu „Die Erdolchten“ in der „Weltbühne“. - 1924: Scheidung der Ehe mit Else Tucholsky. Mitarbeiter-Vertrag mit Siegfried Jacobsohn (15.2.1924): „Dr. Tucholsky tritt in die Redaktion und in den Verlag der ‚Weltbühne‘ ein“. Jacobsohn verpflichtet sich darin, „Herrn Dr. T. mindestens drei Monate im Jahr auf Reisen zu schicken“. KT‘s Gehalt wird auf 650 RM festgesetzt. Vertrag mit dem Ullstein-Verlag über Paris-Feuilletons für die „Vossische Zeitung“. Veranstaltung der „Liga Junge Republik“ zum Thema „Kampf gegen die Kunst oder Wille zur Kultur“. Neben Ignaz Wrobel sprechen George Grosz, Fritz Kortner, Alfred Kerr, Julius Bab, Arthur Holitscher. In der Berliner F.Z.A.S.-Loge „Zur Morgenröte“ als Freimaurerlehrling (Matrikel-Nr. 5420) initiiert.

 

Pariser Jahre

KT geht als Korrespondent der „Weltbühne“ und der „Vossischen Zeitung“ nach Paris. Er wohnt zunächst im Hotel de Grammont. Im „pazifistischen Salon“ von Aline Ménard-Dorian lernt KT Mitglieder der frz. Liga für Menschenrechte wie Ferdinand Buisson, Victor Basch, Salomon Grumbach und General Sarrail kennen. KT mietet in der Avenue Mozart 89 im 4. Stock eine 3-Zimmer-Wohnung. Besuch der Schlachtfelder von Verdun und der Gedenkstätte Douaument. Auf den Gedenkveranstaltungen zum Kriegsbeginn vor 10 Jahren des «Nie-wieder-Krieg»-Aktionsausschusses wird sein Gedicht „Der Graben“ als Prolog vorgetragen (3.8.1924). KT hält eine öffentliche Rede im Saalbau Friedrichshain, Berlin. Heirat mit Mary Gerold. KT wird in Berlin in der Loge „Zur Morgenröte“ zum Freimaurergesellen befördert. Die Urne des ermordeten frz. Sozialistenführers Jean Jaurès wird in das Panthéon überführt. KT nimmt als Delegierter der DLfM an der Zeremonie teil. - 1925: Anträge auf Mitgliedschaft bei zwei Pariser Logen des GOdF. Vortrag in der Loge „La Fraternité des Peuples“: ‚France-Allemagne, Le nécessaire rapprochement‘. Vortrag in der GOdF-Loge „Raspail“: ‚La carrière de votre fils – soldat inconnu‘. Vortrag in der GOdF-Loge „l‘Amitié“: ‚La jeunesse allemande‘. Umzug von Paris nach Le Vésinet, 28, Avenue des Pages. Vortrag in der GLdF-Loge „Acacia“: ‚La situation en Allemagne par rapport à la France‘. Erster Beitrag für die pazifistische Zeitschrift „Das Andere Deutschland“. Pyrenäenreise: „Ein Pyrenäenbuch“. Von der Pariser Freimaurerloge „Les Zélés Philanthropes“ zum Meister erhoben. Vortrag: France-Allemagne. Le rapprochement dans la nuit. (Frankreich-Deutschland. Verständigung im Dunkel. (Druck in ‚La Paix‘). Vortrag in der GOdF-Loge „La Fraternité des Peuples“: ‚Le rapprochement intellectuel Franco-Allemand‘. - 1926: Vortrag in der GOdF-Loge „La Clémente Amitié“: ‚Les conditions du rapprochement Franco-Allemand‘. Vortrag in der GLdF „Acacia“: ‚Le vrai et le faux pacifisme‘.

 

«Die Weltbühne»

1926: Ignaz Wrobel gehört neben Richard Huelsenbeck, Helene Stöcker, Erich Weinert dem Gründungsvorstand der von Kurt Hiller gegründeten „Gruppe Revolutionärer Pazifisten“ an. Auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung der Deutschen Liga für Menschenrechte (DLfM) wird Ignaz Wrobel in Abwesenheit mit dem zweitbesten Stimmergebnis in den Vorstand gewählt, ebenfalls Carl von Ossietzky. Umzug nach Fontainebleau, 11 rue Béranger. KT unterzeichnet den Aufruf der „Kampfgemeinschaft für Geistesfreiheit“ gegen das Gesetz zur Bewahrung der Jugend von Schund- und Schmutzschriften. Siegfried Jacobsohn stirbt. KT fährt sofort nach Berlin und übernimmt die Leitung der „Weltbühne“ bis Mai 1927. Die „Weltbühne“ erscheint mit dem Vermerk: „Begründet von Siegfried Jacobsohn. Herausgeber Kurt Tucholsky“. Gedenkfeier für Siegfried Jacobsohn im Deutschen Theater (19.12.1926): Neben KT sprechen Ernst Toller, Arthur Eloesser, Fritz Kortner. Erich Kleiber dirigiert das Orchester der Staatsoper. Telegramm von Wrobel, Rußbüldt und Grossmann im Auftrag der DLfM an Reichspräsident Hindenburg mit dem Ansinnen einer großen Neujahrs-Amnestie. - 1927: Umzug der „Weltbühne“ in die Kantstraße 152. KT gibt die Redaktion der „Weltbühne“ an Carl von Ossietzky ab (Mai 1927). KT wird wieder in den Vorstand der DLfM gewählt. Wird (in Abwesenheit) auf dem 2. Reichskongreß der „Roten Hilfe Deutschland“ (RHD) in den Zentralvorstand gewählt. Besuch im Hans-Christian-Andersen-Museum in Odense. KT mietet eine möblierte Wohnung in der Avenue de Colonel Bonnet 5. Neue Adresse in Paris XVII, 1 Place de Wagram. Die „Weltbühne“ erscheint erstmals mit dem Herausgebervermerk: „Unter Mitarbeit von Kurt Tucholsky geleitet von Carl von Ossietzky“ (11.10.1927). Der Sammelband „Mit 5 PS“ erscheint im Rowohlt-Verlag, Berlin. - 1928: Vortrag in der GOdF-Loge „L’Action Socialiste“: ‚Vers les Etats-Units d’Europe et le rapprochement Franco-Allemand‘. Auf der Mitgliederversammlung der DLfM wird KT wieder in den Vorstand gewählt. Die Piscatorbühne fragt an, ob KT in einem Autorenkollektiv mit Brecht an einer politischen Revue mitarbeiten würde. KT sagt grundsätzlich zu. Erstes Gedicht von KT in der „Arbeiter Illustrierte Zeitung“ (AIZ) erscheint. Auseinandersetzung mit den Leitern der Ullstein-Zeitschriftenabteilung Kurt Korff und Szafranski wegen KT‘s gleichzeitiger Mitarbeit bei der kommunistischen AIZ. Teilnahme am 2. Kongreß der Internationalen Journalistenvereinigung in Dijon. KT wird wegen seines Artikels „Verhetzte Kinder - ohnmächtige Republik“ in der „Weltbühne“ zum öffentlichen Widerruf und zu einer Geldstrafe von 2000 RM verurteilt. Mary Tucholsky trennt sich von KT und kehrt nach Berlin zurück. Der Sammelband „Das Lächeln der Mona Lisa“ erscheint im Rowohlt-Verlag, Berlin. - 1929: KT erhält in Paris eine Carte d’Identité der République Francaise, gültig bis 1930. Die deutsche Botschaft in Paris stellt KT einen neuen Reisepaß aus, gültig bis 14.1.1934. Auf der Mitgliederversammlung der DLfM wird KT wieder in den Vorstand gewählt. Visum für Frankreich, gültig bis 1.3.1930. Versammlung der DLfM im Künstlerhaus: Vortrag über „Deutschland und Frankreich“. Am „Tag des Buches“ liest KT im Westdeutschen Rundfunk in Köln aus eigenen Werken. Die DNVP, Kreisverein Köln-Stadt, legte gegen diese Lesung Protest ein, weil KT behauptet hatte, dass die im Weltkrieg getöteten Soldaten für einen Dreck gefallen seien. Das Ermittlungsverfahren gegen KT wegen „Gotteslästerung“ wird nach seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht Charlottenburg im März eingestellt. „Deutschland, Deutschland über alles“ von KT (mit Fotomontagen von John Heartfield) erscheint in Münzenbergs Neuem Deutschen Verlag in Berlin. Strafantrag gegen Carl von Ossietzky wegen Walter Kreisers Artikel „Windiges aus der deutschen Luftfahrt“ (Anklageerhebung erst am 30.3.1931). Auf dem III. Reichskongreß der „Roten Hilfe Deutschland“ wird KT wieder in den Zentralvorstand gewählt. 18.11.-2.12.1929: Lesereise: 18.11. Köln; 19.11. Frankfurt; 22.11. Mannheim; 23.11. Wiesbaden (wo es zu Tumulten kommt. Ein Teilnehmer wird für KT gehalten und verprügelt.); 25.11. Darmstadt; 26.11. Mainz; 28.11. Dresden; 29.11. Leipzig; 30.11. Breslau; 2.12. Hamburg. Einleitung eines Verfahrens gegen KT wegen seines Vortrages in Wiesbaden durch den Oberstaatsanwalt in Wiesbaden (Einstellung am 28.12). - 1930: KT zieht offiziell nach Schweden (Hindås: Villa Nedsjölund). Mitgliederversammlung der DLfM: KT kandidiert nicht mehr für den Vorstand, wird aber in den Politischen Beirat gewählt. In „Ny Dag“, dem Hauptorgan der Kommunistischen Partei Schwedens, erscheint ein u.a. von Dr. Kurt Tucholsky unterzeichneter Aufruf an die schwedischen Intellektuellen, die Aktionen gegen die faschistische Lappo-Bewegung in Finnland zu unterstützen. Carl von Ossietzky erkundet in Kopenhagen ein mögliches Ausweichquartier für die „Weltbühne“ für den Fall eines Verbotes in Deutschland. - 1931: In „Ny Dag“ erscheint der von KT mitunterzeichnete Aufruf der IAH „Für die Verteidigung der Sowjetunion! Gegen die imperialistischen Kriegshetzer und Kriegsverbrecher!“. Treffen mit Carl von Ossietzky in Lübeck zur Beratung über die Situation der „Weltbühne“. Infolge des schwebenden Verfahrens gegen Carl von Ossietzky wegen Landesverrats befürchten sie ein Verbot der „Weltbühne“. „Schloß Gripsholm“ erscheint im Rowohlt-Verlag, Berlin. In der „Friedensnummer“ der „Weltbühne“ (4.8.1931) erscheint Ignaz Wrobels Beitrag „Der bewachte Kriegsschauplatz“. Wegen des Satzes „Soldaten sind Mörder“ erstattet die Reichswehrführung Anzeige. Austritt aus dem „Schutzverband deutscher Schriftsteller“. Letzter Beitrag in der „Vossischen Zeitung“: Ullstein hatte KT gekündigt. Der Sammelband „Lerne lachen ohne zu weinen“ erscheint bei Rowohlt. 17.-23.11.1931: „Weltbühne“-Prozeß, Verhandlung vor dem Reichsgericht in Leipzig gegen Carl von Ossietzky und Walter Kreiser: wegen Verrats militärischer Geheimnisse je eineinhalb Jahre Gefängnis. - 1932: Ermittlung der Staatsanwaltschaft Berlin wegen unerlaubten Aufrufs zu Spenden für die „Rote Hilfe“ in KT‘s Artikel „Im Gefängnis greift man“. Nach Vernehmung Carl von Ossietzkys wird das Verfahren eingestellt. „Det Norske Studentersamfund“, Universität Oslo, lädt KT ein, vor der Norwegischen Studentenschaft einen Vortrag über „Fragen der Zeit“ zu halten (abgelehnt wegen seines schlechten Gesundheitszustandes - Nasenoperation). Verlängerung des Frankreich-Visums durch das Konsulat in Göteborg bis 7.4.1933. KT schreibt die letzten Arbeiten für die „Weltbühne“ bis zum 16.4.1932. Carl von Ossietzky tritt seine Haftstrafe im Gefängnis Berlin-Tegel an. Prozeß gegen Carl von Ossietzky wegen KT‘s Satz „Soldaten sind Mörder“. Die Verhandlung endet mit Freispruch. Die von der Staatsanwaltschaft eingelegte Revision wird am 17.11.1932 verworfen. Carl von Ossietzky wird nach einer Amnestie am 22.12.1932 aus dem Gefängnis entlassen.

 

Nobelpreiskampagne für Carl von Ossietzky

1933: ‚Reichstagsbrand‘: Die Nationalsozialisten nehmen ihn zum Anlaß, zahlreiche Linke zu verhaften, darunter Carl von Ossietzky, der bis 1934 im Konzentrationslager Sonnenburg, danach im KZ Esterwegen inhaftiert wird. Das letzte Heft der „Weltbühne“ erscheint. Mobiliar und Vermögen der „Weltbühne“ werden beschlagnahmt. Fritz Tucholsky emigriert nach Prag. ‚Bücherverbrennung‘: Auf dem Opernplatz Unter den Linden in Berlin werden von den Nazis Kurt Tucholskys Bücher verbrannt, unter dem Ruf: „Gegen Frechheit und Anmaßung, für Achtung und Ehrfurcht vor dem unsterblichen Volksgeist! Verschlinge, Flamme, auch die Schriften der Tucholsky und Ossietzky!“. KT trifft in Zürich mit Ernst Rowohlt zusammen: Da seine Bücher in Deutschland verboten sind, werden die Vertragsverhältnisse gelöst. Gesetz über die ‚Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit‘. KT bittet den Schweizer Theologen und Pazifisten Leonhard Ragaz um Adressen englischer Gesinnungsfreunde, die bei der Freilassung von Carl von Ossietzky helfen könnten. Die Scheidung von Mary Tucholsky wird rechtskräftig. Im „Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger“ (Nr. 198) wird die erste Ausbürgerungsliste (vom 23.8.) veröffentlicht: Sie enthält 33 Namen, darunter Tucholsky, Kerr, Feuchtwanger, Heinrich Mann, Gumbel, Münzenberg, Toller. Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung für Zürich, wo er zeitweilig bei Hedwig Müller in der Florhofgasse 1 wohnt, bis 7.9.1933. In Paris zusammen mit Gerlach Teilnahme an der Protestversammlung des „Hilfskomitees für die Opfer des Hitlerfaschismus“ gegen den Reichstagsbrandprozeß. - 1934: KT beschäftigt sich mit den politischen Erneuerungsbewegungen Frankreichs, der «L’Ordre Nouveau»-Gruppe und dem «Esprit»-Kreis. Sein Reisepaß wird ungültig. Antrag beim Königlichen Auswärtigen Amt in Stockholm auf Ausstellung eines Fremdenpasses. KT bittet den englischen Journalisten Henry Wickham Steed und Lady Margot Asquith, sich weiterhin für die Freilassung von Carl von Ossietzky einzusetzen. Auch die britische Zeitung bittet er um Mithilfe bei der Kampagne für Carl von Ossietzky. KT erhält einen schwedischen Fremdenpaß, gültig bis 8.9.1934:«Arbeitsaufnahme nicht erlaubt». KT bittet den Schweizer Bundesrat, sich für die Freilassung Berthold Jacobs einzusetzen. Der ehemalige Mitarbeiter der „Weltbühne“ war von einem Gestapo-Spitzel aus der Schweiz nach Deutschland entführt worden: Am 17.9.1935 wird Jacob freigelassen. Im fordert Georg Bernhard, den diesjährigen Friedensnobelpreis an Carl von Ossietzky zu verleihen. Im Mai setzen Unterstützungskampagnen in Prag, Paris, London und den USA ein. Für 1934 wird der Preis jedoch dem englischen Politiker Arthur Henderson verliehen. 1935 wird die Kampagne für Carl von Ossietzky weltweit verstärkt. KT lehnt die Einladung zum Schriftstellerkongreß in Moskau ab. Brief an das Nobel-Komitee in Oslo (27.9.1934): Er erblicke in der Verleihung des Friedensnobelpreises an Carl von Ossietzky eine Erfüllung der Nobel‘schen Ideen. Verlängerung des Fremdenpasses bis 8.3.1935. KT lehnt einen weiteren Verkauf seiner Bücher durch den Verleger Emil Oprecht in Zürich ab. Erste von fünf Nasenoperationen bis Mai 1935. - 1935: Verlängerung des Fremdenpasses bis 8.9.1935. KT bittet den Friedensnobelpreisträger Norman L. Angell, sich in Oslo für die Verleihung des Friedensnobelpreises an Carl von Ossietzky einzusetzen. Fritz Tucholsky emigriert nach Amerika. KT beschäftigt sich mit dem Werk Kierkegaards. Antrag auf Verlängerung des Fremdenpasses um ein Jahr beim Königlichen Auswärtigen Amt, Stockholm. KT bedankt sich bei Mia Leche-Löfgren für ihren Artikel in , Stockholm, zugunsten der Friedensnobelpreiskampagne für Carl von Ossietzky. Verlängerung des Fremdenpasses bis 8.3.1936. Der von KT verehrte Schriftsteller Knut Hamsun veröffentlicht in den Osloer Tageszeitungen ‚Aftenposten‘ und ‚Tidens Tegn‘ einen polemischen Artikel gegen Carl von Ossietzky, der weltweit Protest auslöst. Das Nobel-Komitee beschließt, den Friedensnobelpreis für 1935 nicht zu verleihen. Am 23.11.1936 erst wird er Carl von Ossietzky (posthum für das Jahr 1935) zugesprochen. KT bietet der Baseler ‚National-Zeitung‘ einen Artikel an, in dem er Carl von Ossietzky gegen die Angriffe Hamsuns verteidigen will. Er fragt auch bei der sozialdemokratischen Zeitung ‚Arbeiderbladet‘ (Oslo) an, die ihm jedoch absagt. Er fragt „Det Norske Studentersamfund“ (Oslo) an, ob er seinen Artikel für Carl von Ossietzky dort veröffentlichen kann. Am 21. Dezember 1935 wird KT im Koma liegend von Gertrude Meyer vorgefunden und gegen 18 Uhr ins Sahlgrenska Krankenhaus in Göteborg eingewiesen wird, wo er um 21.55 Uhr (nach dem Obduktionsbericht an einer Überdosis Veronal) stirbt. Trauerfeier in Göteborg. Die Urne wird am 31. Juli 1936 auf dem Friedhof Mariefred bei Schloß Gripsholm beigesetzt.