Dezember 1918


Wissenschaft und Technik

Wir brauchen Diener am Geiste, nicht am Worte. Wir brauchen Menschen, die sich autonom fühlen und sich doch bewusst sind, Glieder einer großen Kette zu sein. […]

Wir hatten eine wunderbar entwickelte Technik, einer aller irdischen Gebundenheit spottende Wissenschaft.

Wissenschaft und Technik aber - es ist das nicht allein unsere Schuld, wir folgen einer schlimmen internationalen Tendenz - waren nicht in erster Linie da, zu helfen. Sie schufen Werkzeuge der Vernichtung, Werkzeuge grässlichsten Mordes.

Wir müssen die Wissenschaft wieder menschlich machen. Wir Monisten auch, die wir die wissenschaftliche Weltanschauung auf unser Banner geschrieben haben, müssen dabei helfen. Auch wir haben in manchem gesündigt; haben allzu sehr das kalte Fachwissen des Naturwissenschaftlers verwechselt mit dem großen Wissen vom Leben, haben oft vergessen, daß neben den Instrumenten des Forschers auch die suchende Seele ihr ewiges Recht hat. Wir könnten sehr viel Wärme in die Welt bringen. […]

Die Gegenwart ist dein Kampffeld. Du brauchst nicht mit jämmerlich bußfertiger Miene einherzulaufen; nicht beten lehre dich die Not, sondern Denken und Handeln. Nicht trübe Gäste auf der dunklen Erde dürfen wir sein, sondern Goethes „Stirb und werde“ wollen wir als freudiges Losungswort aufnehmen.


aus: „Anmarsch der neuen Reformation“, Flugschriften des Deutschen Monistenbundes, Nr. 2, Hamburg 1919, S. 21-27: „Das werdende Deutschland“

 

 

Faksimile des Titelblatts
„Der Anmarsch der neuen Reformation“,
Juni 1919