Biografie

1874: 28. April: Karl Kraus wird in Jičín (Gitschin), Böhmen, geboren. Neuntes Kind des Kaufmanns und Papierfabrikanten Jakob Kraus und seiner Frau Ernestine, Tochter des Jičíner Arztes Dr. Ignaz Kantor.

1877: Übersiedlung der Familie nach Wien.

1880-1884: Besuch der Volksschule (Übungsschule des Wiener Pädagogiums).

1884-1892: Franz-Josephs-Gymnasium in Wien. Als Schüler der siebten Gymnasialklasse spielt er in der Schauspielschule Löwe.

1891: Regie und Mitwirkung bei einer Wohltätigkeitsakademie in Baden bei Wien durch sein humoristisches Imitationsintermezzo "In der Burgtheaterkanzlei".
24. Oktober: Tod der Mutter.

1892: April: Erste Veröffentlichung in der „Wiener Literatur-Zeitung“, eine Besprechung der "Weber" von Gerhart Hauptmann (bis 1899 verfasst er mehr als 200 Aufführungskritiken, Kulturberichte und Rezensionen für verschiedene in- und ausländische Zeitungen und Zeitschriften).
Wintersemester: Studium der Rechtswissenschaften in Wien.
21. Oktober: Erste öffentliche Vorlesung in Wien.

1893: Sommer und Herbst: Vorlesung von Hauptmanns "Weber" in Ischl, München und Wien.

1894 - 1897: Wechsel der Fakultät: Studium der Romanischen Philologie und Germanistik in Wien.

1894: Beginn der Freundschaft mit Peter Altenberg.

1896: Beginn der Korrespondenz mit Maximilian Harden.

1899: 1. April: „Die Fackel“ Nr. 1 erscheint in Beratung mit Maximilian Harden. Drei Auflagen mit insgesamt 30.000 Exemplaren - Druck: Moriz Frisch, Wien.
12. Oktober: Austritt aus der Israelitischen Kultusgemeinde.

1900: 5. April: Tod des Vaters. - November: Auszug aus der elterlichen Wohnung - neue Adresse: Wien, I., Elisabethstraße 4 (bis Oktober 1902). Mitarbeiter der „Fackel“: Peter Altenberg (bis 1911)

1901: Skandinavienreise wegen Nervenerschöpfung aufgrund eines verlorenen Prozesses. Nach der Rückkehr im September: 15 langwierige Prozesse mit dem bisherigen Drucker um die „Fackel“. Verbindung mit der Druckerei Jahoda & Siegel und Beginn der Freundschaft mit Georg Jahoda. Fortsetzung der „Fackel“ im Selbstverlag. Druck: Jahoda & Siegel (Nr. 82-922).

1902: September: Essay "Sittlichkeit und Criminalität" - Oktober: Umzug in die Schwindgasse 3, Wien, IV. (bis 1909).

1903: April: Begegnung und Korrespondenz mit Siegfried Jacobsohn (Herausgeber der „Welt am Montag“, später der „Schaubühne“ und der „Weltbühne“).
Juni: Begegnung mit Otto Weininger ("Geschlecht und Charakter"), der sich am 4. Oktober das Leben nimmt.
Oktober: „Die Fackel“ beginnt literarische Beiträge zu bringen (bis 1911): z.B. August Strindberg und Frank Wedekind, die ab Sommer 1903 Mitarbeiter sind.

1905: 29. Mai: Privataufführung der verbotenen "Büchse der Pandora" von Frank Wedekind im Trianon-Theater, Wien, die Kraus veranstaltete und bei der er auch mitspielte.
November: Mitarbeit von Detlev von Liliencron.

1906: Erste Aphorismen. März: Mitarbeit von Erich Mühsam. - 25. September: Sigmund Freud erbittet ein Zusammentreffen. - Oktober: Einladung an Gustav Landauer zur Mitarbeit.

1907: Oktober: Neue Verlagsadresse (bis 1936): Jahoda & Siegel, III., Hintere Zollamtsstraße 3.

1908: Februar: Beginn der Mitarbeit am Münchner „Simplicissimus“ (bis 1911).
1. Oktober: Gründung der „Verlagsgesellschaft München G.m.b.H. Deutscher Verlag der Fackel“ (Bis 27. Juli 1909).
November: Erste Münchner „Fackel“.
13. Oktober: Veröffentlichung des Gedichts "Apokalypse".

1909: 1. August: Umzug in die Elisabethstraße 20, Wien, I. (bis Februar 1911).
16. August: Berliner Büro der „Fackel“ in der Wohnung von Herwarth Walden / Else Lasker-Schüler und dem Geschäftszimmer des "Verein der Kunst". Mitarbeit von Else Lasker-Schüler (bis 1911). Neue Umschlagstypographie durch Adolf Loos auf Anregung von Herwarth Walden.

1910: 13. Januar: Erste Vorlesungen aus eigenen Schriften in Berlin auf Anregung von Herwarth Walden (bis 1936 insgesamt 700 Vorlesungen).
3. Mai: Erste Wiener Vorlesung: "Heine und die Folgen" und "Die chinesische Mauer".

1911: 8. April: Taufe in der römisch-katholischen Karlskirche in Wien (Taufpate: Adolf Loos).
Dezember: Sämtliche Beiträge in der „Fackel“ fortan von Karl Kraus (bis zu seinem Tod 1936).

1912: 12. Februar: Umzug in die Lothringerstraße 6, Wien, I. (bis 1936). - "Pro domo et mundo" (Ausgewählte Schriften, Band 4, München: Albert Langen)
20. Dezember: Verlagsangebot der Verlegers Kurt Wolff, der Rowohlt übernommen hatte.

1913: 8. September: Kraus wird von Max Graf Thun der damals 27-jährigen Sidonie Baronin von Nádherný von Borutin vorgestellt.
22. Oktober: Verlagsverträge für "Kultur und Presse" und "Untergang der Welt durch schwarze Magie" mit Kurt Wolff.
Dezember: Erste Gedichte "Worte in Versen".

1914: 19. November: Rede „In dieser großen Zeit“, die am 5. Dezember in der „Fackel“ erscheint.

1915: 23. Mai - 2. Juli: Sommerreise mit Sidonie Nádhérny durch die Schweiz. Beginn der Arbeit an den „Letzten Tagen der Menschheit“.
1. August - 2. September: In Schlösschen Vrchotovy Janovice (Berg Janowitz) Arbeit an den „Letzten Tagen der Menschheit“.
Oktober: Gründung des "Verlags der Schriften von Karl Kraus (Kurt Wolff)", Leipzig.

1916: Januar: Die „Fackel“ erscheint zensiert.
April: Musterung, "zum Landsturmdienste nicht geeignet".
31. Mai: Handelsregistereintrag des "Verlags der Schriften von Karl Kraus (Kurt Wolff)", Leipzig.
August: Schweizreise; Thierfehd. Arbeit an den „Letzten Tagen der Menschheit“.

1917: 15. Februar: Siegfried Jacobsohn lobt in der "Schaubühne" Karl Kraus und seine „Fackel“, die er in Deutschland durchsetzen wolle.
7. März: Erneute Musterung.
19. Juni: Der Freund Franz Grüner fällt an der italienischen Front.
24.Oktober: Der Freund Franz Janowitz erliegt an der Isonzofront seinen Verwundungen.

1918: 27. März: "Für Lammasch" und die Beendigung des Krieges zieht polizeiliche Verfolgungen nach sich.
6. Mai: Tucholsky über Kraus-Vorlesung: "Es war ein Gipfelpunkt [...] ein Büchermensch, etwas verwachsen, altmodisch im schwarzen Rock - aber Blut, Temperament, Sturm und Feuer".
16. Mai: Siegfried Jacobsohn: "Die Bühne mit ihrem gewaltigen Apparat ist ein unvollkommener Ersatz für eine Stimme, die aus ihrer Fülle mühelos ganze Ensembles verweht". „Die letzte Nacht“. Sonderheft der „Fackel“.

1919: 10. April: Kaspar Hauser (d.i. Kurt Tucholsky): „Der zwanzigjährigen „Fackel“ in der "Weltbühne".
1. Mai: Karl Seitz, 1. Präsident der konstituierenden Nationalversammlung, gratuliert zum 20jährigen Bestehen der „Fackel“ und zu ihrem "beharrlichen Kampf gegen den Krieg".
April: „Die letzten Tage der Menschheit“, Vorspiel und I. Akt (Sonderheft der „Fackel“).
Juni: „Die letzten Tage der Menschheit“, II. und III. Akt (Sonderheft der „Fackel“).
August: „Die letzten Tage der Menschheit“, IV. und V. Akt (Sonderheft der „Fackel“).
17. Juni: „Weltgericht“, 2 Bände. Leipzig: Verlag der Schriften von Karl Kraus (Kurt Wolff).

1920: Februar: Walter Benjamin hört Vorlesungen in Wien. - Verhinderung des zweiten Vortrages in Innsbruck, verbunden mit einer antisemitischen Hetzkampagne.
31. Mai: Enthusiastische Besprechung der „Letzten Tage“-Vorlesung in Berlin durch Ignaz Wrobel (d.i. Kurt Tucholsky) in "Die Freiheit": "Hier in Berlin wäre er längst ein toter Mann - er hätte sich sicherlich seiner - ungesetzlichen - Verhaftung durch Flucht entzogen und wäre unterwegs auf einem Transport abhanden gekommen".

1921: 19. März: Ende der verlegerischen Zusammenarbeit mit Kurt Wolff.
8. April: Gründung des eigenen Verlags „Die Fackel“ in Wien und Leipzig.
November: „Reklamefahrten zur Hölle“ !
Dezember: Geschenke von Sidhonie in Janowitz: Rosa Luxemburg: "Briefe aus dem Gefängnis" und Matthias Claudius' "Ausgewählte Werke".
31. Dezember: Audienz beim tschechoslowakischen Staatspräsidenten Masaryk.

1922: Januar/März: Korrespondenzen mit der Kanzlei Masaryk.
26. Mai: Buchausgabe: „Die letzten Tage der Menschheit“. Wien, Leipzig: Verlag „Die Fackel“.
November: „Vom großen Welttheaterschwindel“ (Walter Benjamin: "Ein Aufsatz, bei dem mir Hören und Sehen vergangen ist".)
Ende Dezember: Neuauflage „Die letzten Tage der Menschheit“.

1923: 15. Februar: Aufführung der vier letzten apokalyptischen Szenen aus "Die letzten Tage der Menschheit" unter dem Titel: "Die letzte Nacht" - in Wien und später in Brünn. In Prag wird die Aufführung durch die Verweigerung des Theatersaals verhindert.
April: „Nestroy-Zyklus“.
7. März: Austritt aus der Kirche. Der Verlag der Schriften von Karl Kraus wird aufgelöst.

1924: 28. April: 50. Geburtstag von Karl Kraus und 25. Jahrgang der „Fackel“.
Juli: Theatersaalverweigerung für die Aufführung von "Die letzte Nacht" in Treplitz-Schönau.
August: „In dieser kleinen Zeit“.

1925: Januar bis August: Ausgelöst durch gezielt beleidigende Berichterstattung Kampf gegen den Zeitungsherausgeber Imre Bekessy und dessen Finanzier, Camillo Castiglioni.
4. bis 10. März: Vorlesungen in Paris.
16. April: Rede „Shakespeare hat alles vorausgewußt“.
Herbst: Die "Vorlesungen" der Theaterstücke werden fortan als "Theater der Dichtung" bezeichnet.
8. Dezember: Walter F. Otto und Professoren der Sorbonne schlagen Karl Kraus für den Nobelpreis für Literatur vor: 1926, 1927 und 1928.

1926: Polemiken gegen Alfred Kerr wegen dessen Kriegsgedichte, darunter das 1916 unter dem Sammelpseudonym „Gottlieb“ erschienene Rumänenlied, später Privatklagen und Prozeß.
16.-24. April: Erneute Vorlesungen in Paris.
25. Oktober: „Die letzten Tage der Menschheit“, 17.-23. Tausend. "Endgültige Ausgabe".
20. November: 400. Vorlesung

1927: April: „Der Reim“. „Offenbach-Renaissance“: fortan insgesamt 129 Lesungen von Operetten auf dem "Theater der Dichtung".
15. Juli: Arbeiterdemonstrationen vor dem Wiener Justizpalast gegen den Freispruch eines wegen Mordes angeklagten Heimwehrmannes; Johann Schober, der Polizeipräsident, lässt auf Demonstranten schießen. Plakatanschlag von Karl Kraus vom 17.-19. September an Schober: "Ich fordere Sie auf, abzutreten."

1928: August: Karl Kraus und Elias Canetti nehmen an den Bühnenproben der „Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht teil. Kraus schreibt die 2. Strophe des "Eifersuchtsduetts“.
Juni: Gründung einer „Vereinigung Karl Kraus“ für Sozialdemokraten, die Kraus' Kritik an der Partei teilen.

1929: 15. August: Kraus besucht die Aufführung der „Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht in München.

1930: 15. Januar: „Die letzte Nacht“ im Theater am Schiffbauerdamm, Berlin
Ende Februar/März: Vorlesungen der Bühnenfassung der „Letzten Tage der Menschheit“ je zwei Abende in Wien, Berlin und Prag
9. März (bis 14. Januar 1932): Berliner Rundfunk bringt einen Offenbach-Zyklus (12 Aufführungen) in Bearbeitung von Karl Kraus und mit seiner Wortregie.
13. November: Im Berliner Rundfunk Shakespeare's „Timon von Athen“ (Bearbeitung, Regie, Titelrolle: Karl Kraus).
ab November: Sprechplatten in Berlin und Wien, u.a. Offenbach's „Perichole“, Operette in drei Akten.

1931: 14. Januar: Kraus liest Hauptmanns "Hanneles Himmelfahrt" im Berliner Rundfunk.
10.- 18. März: Walter Benjamin: „Karl Kraus“ I - IV, in: Frankfurter Zeitung.
13. November: 600. Vorlesung: Aus eigenen Schriften (Wien).

1932: 8. Januar: 100. Vorlesung (Berlin)
17. Februar: Kraus liest zum ersten Mal im Wiener Rundfunk Goethes "Pandora".
Dezember (München): Letzte Vorlesungen in Deutschland.

1933: 2. Januar bis 22. Februar: Shakespeare-Zyklus (12 Abende) in Wien.
Februar: Erste Anzeichen der Herzerkrankung.
Mai bis Oktober: Arbeit an "Dritte Walpurgisnacht".
23. August: Kraus spricht am Grab von Adolf Loos.
13. September: Kraus schreibt das Gedicht "Man frage nicht" in Janowitz. Die einzige, nur vierseitige Nummer der „Fackel“ im Jahr 1933 (Nummer 888), enthält die Grabrede auf Loos und das Gedicht "Man frage nicht", das mit dem Satz endet: "Das Wort entschlief, als jene Welt erwachte."
Dezember: Beginn enormer Verlagsverluste bis 1935.

1934: Februar: Venenentzündung
29. April: Feier des Geburtstags in Wien - Vorführung des Tonfilms: „Karl Kraus liest aus eigenen Schriften“, produziert am 17. März in Prag von Albrecht Viktor Blum.
25. Juli: Bundeskanzler Dollfuß wird im Juliputsch von österreichischen Nazis erschossen - Karl Kraus veröffentlicht seinen Text: „Warum die Fackel nicht erscheint“.
Mitte Oktober: Der deutsche Publizist (Herausgeber der Zeitschrift "Die Aktion") und Porträtfotograf Franz Pfemfert fotografiert Karl Kraus.

1935: 26. April: 400. Wiener Vorlesung nach zwanzig Monaten Pause: Shakespeare's "König Lear".
27./28. August: Erste Niederschrift des Testaments.
November/Dezember: Helene Weigel besucht Kraus im Auftrag von Brecht, um über seine politischen Ansichten aus erster Hand unterrichtet zu werden.

1936: 4. Februar: Karl Kraus wird in der Dunkelheit von einem Radfahrer niedergestoßen: Verschlechterung seines Gesundheitszustandes. Mitte Februar: "Fackel" 917-922, das letzte Heft: „Wichtiges von Wichten“.
2. April: 700. und letzte Vorlesung: Aus eigenen Schriften.
Nach einem schweren Herzinfarkt im Café Imperial am 10. Juni stirbt Kraus am 12. Juni 1936 in seiner Wiener Wohnung in der Lothringerstraße 6 an Herz- und Gehirnschlag.